Odin Lebt ! Alte-Neue Heiden
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Der Prolog zur Snorra-Edda

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Beitrag von Gast Do März 17 2011, 22:45

Der Prolog zur Snorra-Edda

"1. Der allmächtige Gott schuf am Anfang Himmel und Erde und alles,
was zu ihnen gehört, und zuletzt die beiden Menschen Adam und Eva, von
denen die Geschlechter abstammen. Ihre Nachkommen vermehrten sich und
breiteten sich über die ganze Welt aus. Aber im Laufe der Zeit
unterschieden sich die Menschen voneinander; die einen waren gut und
rechtgläubig, aber viel mehr wandten sich den Begierden der Welt zu und
vernachlässigten Gottes Gebote. Deshalb vernichtete Gott die Welt mit
der Sintflut und alle irdischen Geschöpfe, ausser denen, die mit Noah in
der Arche waren. Nach der Sintflut lebten noch acht Menschen, die die
Welt bewohnten, und von ihnen stammen die Geschlechter. Und es kam
wieder wie früher: Sie vermehrten sich und besiedelten die Welt. Nun war
es die ganze Menschheit, die die Gier nach Reichtum und Hochmut liebte,
aber den Gehorsam gegenüber Gott verschmähte. Und es kam so weit, dass
sie Gott nicht beim Namen nennen wollten. Aber wer sollte damals seinen
Söhnen von Gottes Wundern erzählen? So kam es, dass sie den Namen Gottes
vergassen, und in der ganzen Welt fand sich kein einziger Mensch, der
von seinem Schöpfer wusste. Aber dennoch gab ihnen Gott irdische Güter,
Besitz und Glück; weil sie in der Welt bestehen sollten, verteilte er
auch die Klugheit, so dass sie alle irdischen Phänomene und
Verstandesdinge begriffen, die man in der Luft und auf der Erde sehen
konnte. So überlegten sie und wunderten sich, wie dies zusammenhängen
könnte, dass die Erde, die Tiere und die Vögel in manchen Punkten
dieselbe Beschaffenheit hatten und doch ungleich in der Art waren. Eine
Beschaffenheit war die, dass, wenn die Erde auf hohen Berggipfeln
aufgegraben wurde, dort Wasser entsprang. Man musste dort nicht länger
nach Wasser graben als in tiefen Tälern. So verhält es sich auch bei
Tieren und Vögeln: Es ist für das Blut gleich weit im Kopf wie in den
Füssen. Eine zweite natürliche Eigenart der Erde ist die, dass in jedem
Jahr auf ihr Gras und Blumen wachsen, und im gleichen Jahr stirbt alles
ab und verfault. So ist es auch bei den Tieren und Vögeln, dass Haare
und Federn wachsen und in jedem Jahr abfallen. Dies ist die dritte Natur
der Erde: Dort, wo sie geöffnet und ausgegraben wird, wächst Gras auf
dem Erdboden, der zuoberst auf der Erde liegt. Felsen und Steine
verglichen sie mit Zähnen und Knochen von Lebewesen. Daher stellten sie
fest, dass die Erde lebendig sei und auf irgendeine Art und Weise Leben
habe und sie erkannten, dass sie ausserordentlich alt an Jahren war und
mächtig in ihrer Natur. Sie gab allen Lebewesen Leben, und sie nahm sich
alles, was starb. Aus diesem Grund gaben sie ihr einen Namen und
führten ihr Geschlecht auf sie zurück. Dies hörten sie auch von ihren
Vorfahren, weil es danach viele Jahrhunderte erzählt wurde. Damals gab
es dieselbe Erde wie auch Sonne und Gestirne, aber der Lauf der Gestirne
war ein anderer; einige hatten einen längeren, andere einen kürzeren.
Wegen dieser Phänomene vermuteten sie, dass irgend jemand der Lenker der
Gestirne sein müsse, einer, der ihren Lauf nach seinem Willen regeln
könne. Er müsste sehr stark und mächtig sein. Deshalb nahmen sie an,
dass er, wenn er über die Elemente herrsche, auch vor den Gestirnen
existiert haben müsse. Und dies war ihre Erkenntnis: Wenn er den Lauf
der Gestirne beherrsche, dann verursache er auch den Sonnenschein, den
Tau in der Luft und das Wachstum der Erde, das sich danach richtet,
ebenso wie den Wind der Luft und damit den Sturm auf der See. Damals
wussten sie nicht, wo sein Reich war. Darum glaubten sie, dass er alle
Dinge auf Erden wie in der Luft des Himmels und bei den Gestirnen, alle
Erscheinungen des Meeres und der Winde beherrsche. Aber um besser davon
erzählen zu können und sich dessen zu erinnern, gaben sie allen Dingen
von sich aus Namen. Und dieser Glaube hat sich auf vielerlei Weise
gewandelt, so wie sich die Völker verteilten und sich die Sprachen
verzweigten. Alle Dinge begriffen sie jedoch mit irdischer Erkenntnis,
denn ihnen war keine geistliche Weisheit gegeben. Auf diese Weise
erkannten sie, dass alles aus irgendeinem Stoff geschaffen war.

2. Die Welt wurde in der Kontinente eingeteilt: Der Teil von Süden nach
Westen und bis zum Mittelmeer wurde Afrika genannt; und der südliche
Teil dieser Gebiete ist durch die Sonne so heiss, dass dort alles
verbrennt. Der zweite Kontinent erstreckt sich von Westen nach Norden
und bis zum Meer; ihn nennt man Europa oder Enea. Seine nördliche Region
ist so kalt, dass dort kein Gras wächst und niemand dort siedelt. Das,
was sich von Norden über die ganze Osthälfte bis Süden erstreckt, wird
Asien genannt. In diesem Teil der Welt gibt es überall Schönheit und
Pracht, gibt es Länder mit reichen Ernten, Gold und Edelsteinen. Dort
ist auch die Mitte der Welt. Und so wie dort die Erde in jeder Hinsicht
schöner und besser ist als in andreren Gegenden, so waren auch die
Menschen dort mit allen Gaben am ausgezeichnetsten, mit der Klugheit und
der Stärke, mit der Schönheit und mit Fähigkeiten aller Art.

3. Nahe der Mitte der Welt wurde in dem Land, dass wir Tyrkland nennen,
die Siedlung erbaut, die am berühmtesten war und die Troja heisst. Diese
Stadt war viel grösser als andere und in vieler Hinsicht mit mehr
Kunstfertigkeit erbaut, mit Aufwand und Mitteln, die dort vorhanden
waren. Es gab zwölf Königreiche und einen Oberkönig, und viele Länder
gehörten zu jedem Reich. In der Stadt lebten zwölf mächtige Männer.
Diese Fürsten übertrafen die anderen Menschen, die auf der Welt lebten,
in allen menschlichen Tugenden. Ein König, der dort war, wird Munon oder
Mennon genannt. Er war mit der Tochter des Grosskönigs Priamus
verheiratet, die Troan hiess. Sie hatten einen Sohn namens Tror, den wir
Thor nennen. Er war zur Erziehung in Thrakien bei dem Herzog, der
Lorikus genannt wird. Als er zehn Jahre alt war, nahm er die Waffen
seines Vaters entgegen. Er war, verglichen mit anderen Menschen, in
seiner äusseren Erscheinung so schön, wie wenn Elfenbein in Eichenholz
eingelegt ist. Sein Haar war glänzender als Gold. Als er zwölf Jahre alt
war, hatte er schon seine volle Körperkraft; in diesem Alter hob er
zehn Bärenfelle auf einmal vom Erdboden empor. Und dann erschlug er
Herzog Lorikus, seinen Ziehvater, samt dessen Frau Lora oder Glora und
eroberte sich das Reich Thrakien. Wir nennen es Thrudheim. Darauf zog er
weit in den Ländern umher und erforschte alle Teile der Welt. Er
besiegte ganz allein alle Berserker und Riesen, den gewaltigsten Drachen
und viele wilde Tiere. In der nördlichen Welthälfte traf er die Seherin
mit Namen Sibil, die wir Sif nennen, und heiratete sie. Von Sifs
Familie kann ich nichts erzählen; sie war die schönste aller Frauen, ihr
Haar war wie Gold. Ihr gemeinsamer Sohn war Loridi, der seinem Vater
glich. Sein Sohn war Einridi, dessen Sohn wiederum Wingethor; dann
folgten Wingener, Moda, Magi, Seskef, Bedwig, Athra, den wir Annan
nennen, Itrmann, Heremod, Skjaldun, der bei uns Skjöld heisst, Biaf, den
wir Bjar nennen, Jat, Gudolf, Finn, Friallaf, den wir Fridleif nenen;
er hatte den Sohn, der Woden genannt wird und bei uns Odin heisst. Er
war ein an Weisheit und allen Fähigkeiten hervorragender Mann. Seine
Frau hiess Frigida, die wir Frigg nennen.

4. Odin besass wie seine Frau die Sehergabe, und aus seinen Visionen
erfuhr er, dass sein Name oben in der Nordhälfte der Welt bekannt sein
würde und dass er darüber hinaus von allen Königen geehrt würde. Aus
diesem Grund wollte er seine Reise von Tyrkland antreten. Er führte eine
grosse Gefolgschaft mit sich, junge und alte Menschen, Männer wie
Frauen, die viele wertvolle Dinge bei sich hatten. Und in den Ländern,
durch die sie zogen, erzählte man viel Ruhmreiches über sie, so dass sie
Göttern ähnlicher als Menschen schienen. Sie unterbrachen ihre Fahrt
nicht eher, als bis sie nordwärts in das Land kamen, das heute Sachsen
genannt wird. Dort blieb Odin lange Zeit und nahm das Land weit und
breit in Besitz. Er setzte seine drei Söhne zum Schutz des Landes ein:
Der eine hiess Wegdeg, er war ein mächtiger König und herrschte über
Ostsachsen. Sein Sohn war Witrgils, dessen Söhne waren Pitta, der Vater
Heingests, und Sigarr, der Vater des Swebdeg, den wir Swipdag nennen.
Der zweite Sohn Odins hiess Beldeg, den wir Balder nennen; er besass das
Land, das jetzt Westfalen heisst. Sein Sohn war Brand, dessen Sohn
Frjodigar, der bei uns Frodi heisst. Ihm folgten Freowin, Wigg, Gewis,
den wir Gawe nennen. Der dritte Sohn Odins wird Sigi genannt, sein Sohn
Rerir. Ihre Nachfahren herrschten über das Land, das jetzt Franken
heisst. Von dort stammt das Geschlecht der Wölsungen. Von ihnen allen
stammen grosse und viele Sippen ab. Danach setzte Odin seine Reise in
den Norden fort und kam in das Land, das sie Reidgotaland nannten. Er
nahm dort alles in Besitz, was er wollte. Über dieses Land setzte er
seinen Sohn namens Skjöld, dessen Sohn war Fridleif. Daher entstammt das
Geschlecht der Skjöldungen. Das sind die dänischen Könige, und das
Land, das damals Reidgotaland genannt wurde, heisst heute Jütland.

5. Danach zog er weiter nordwärts in das heutige Schweden. Dort
herrschte der König, der Gylfi genannt wird. Als er vom Zug der Asiaten,
die man Asen nannte, erfuhr, reiste er ihnen entgegen und bot ihnen an,
Odin könne in seinem Reich so viel Macht haben, wie er selbst wolle.
Und ihrer Ankunft folgte die Zeit, in der überall dort, wo sie sich
aufhielten, reiche Ernten und Friede herrschten. Alle glaubten, dass sie
deren Verursacher seien; denn die herrschenden Männer stellten fest,
dass sie anders als andere Menschen waren, die sie bisher gesehen
hatten, sowohl in ihrer äusseren Schönheit als auch an Verstand. Dort
schien es Odin gutes Land und andere Vorteile zu geben, und so entschied
er sich da für eine Stadt, die jetzt Sigtuna heisst. Dort setzte er die
Oberhäupter so ein, wie es in Troja gewesen war. Er bestimmte zwölf
Anführer an diesem Ort, die Landesgesetze beschliessen sollten. So
ordnete er alles Recht, wie es früher in Troja gewesen war und wie es
die Tyrken gewohnt waren. Danach zog er noch weiter nach Norden, so
weit, bis er an das Meer kam, von dem sie glaubten, es begrenze das
ganze Land. Dort setzte er seinen Sohn über das Reich, dass jetzt
Norwegen heisst. Er wird Säming genannt, und die norwegischen Könige
führen ihr Geschlecht auf ihn zurück, ebenso die Jarle und andere
mächtige Männer, wie es im Gedicht der Halogaländer heisst. Aber Odin
hatte einen weiteren Sohn bei sich, der Yngwi genannt wird. Der war nach
ihm in Schweden König, und von ihm stammt das Geschlecht der Ynglinge
ab. Die Asen nahmen sich dort im Land Frauen, und manche verheirateten
ihre Söhne. Diese Sippen wurden so zahlreich, dass sie sich über Sachsen
und den ganzen Norden ausbreiteten. So wurde die Sprache der Asiaten
die Landessprache in allen diesen Gebieten. Die Menschen glauben dies
deshalb erkennen zu können, weil die Namen ihrer Vorväter
niedergeschrieben wurden. Denn die Namen gehörten zu dieser Sprache, und
die Asen haben eben diese Sprache hierher in den Norden gebracht, nach
Norwegen und Schweden, nach Dänemark und Sachsen. Aber in England gibt
es alte Landes- und Ortsmanen, bei denen zu erkennen ist, dass sie aus
einer anderen Sprache stammen.
"


In zahlreichen Sammlungen der Edden befindet sich der Prolog gar nicht. Dafür gibt es auch einen Grund. Man war lange Zeit der Meinung, der Prolog sei nicht authentisch und stamme nicht von Snorri Sturluson. Das sieht sowohl die überwiegende Skandinavistik als auch die Geschichtswissenschaft heute anders. Herr Sturluson wird durchaus als Urheber dieses Textes betrachtet, welcher ihn sodann selbst der nachfolgenden Sammlung vorangestellt hat.

Warum ich das hier eingestellt habe? Nun, es ist vielleicht nicht ganz
unwichtig für die Beurteilung der Sammlung sich einmal mit dem
religiösen Selbstverständnis des Verfassers zu beschäftigen. Wenn die
Götter nur Königssöhne sind, welche lediglich im Norden für Götter gehalten
werden, dann sind sie eben nur Menschen und können auch Eide brechen und
Gäste ermorden, wie bei der Geschichte mit dem Riesenbaumeister, welcher den Wall um die Burg von Asgard errichtete (steht in der Gylfaginning), so schäbig das nach altgermanischer Ethik auch war. Es
waren eben keine Götter, sondern Einwanderer aus "Tyrkland", die nur
wegen ihrer magischen Fähigkeiten für Götter gehalten wurden. Ist die
Verdammung der Magie durch das Christentum des Mittelalters hier
bekannt?

Aber ich denke, wer im Glauben steht, hat auch die Kraft, kritisch mit Quellen des Hochmittelalters umzugehen.

Gast
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Der Prolog zur Snorra-Edda Empty Re: Der Prolog zur Snorra-Edda

Beitrag von Gast Fr Jan 11 2013, 18:04

Hallo Gast,

so ganz einig sind sich die Forscher nicht, was den Prolog betrifft. Wenn er von Snorri wäre, warum weicht er dann so eklatant vom Prolog der Heimskringla ab, die ja eindeutig von Snorri stammt? Man würde doch erwarten, daß die Genealogien sich entsprechen. Das tun sie aber nicht. Deswegen spricht sehr viel dafür, daß der Prolog nicht von Snorri stammt. Der Verfasser war eindeutig ein Christ, ob Snorri so ein Christ war, ist zu bezweifeln. Er lehnte eine Theologieausbildung bekanntlich ab.

Ansonsten stimmt es nicht, daß die Götter sich schäbig oder eidbrüchig verhalten haben. Wenn man diese Geschichten genau liest, dann merkt man, daß die Götter ganz korrekt gehandelt haben. Z. B. die Eide dem Riesenbaumeister gegenüber, da war Thorr nicht dabei und nach germ. Recht damit nicht an die Eide gebunden (Er wußte vielleicht sogar gar nichts von diesen Eiden). Ein Eid gilt nur für den, der ihn schwört. Deswegen konnte Thor den Riesen erschlagen, nachdem dieser sich ja als feindlich gezeigt hatte.
Also immer ganz genau lesen, was da wirklich steht.

Lichtgruß,
Geza

Gast
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